Allgemeines über LibellenEvolution Libellen gehören wohl zu den faszinierendsten Insekten. Ihre Vorfahren lebten bereits vor 250 Millionen Jahren. Diese Tiere hatten eine Flügelspannweite von bis zu 75 cm und waren damit die grössten jemals existierenden Insekten. Zur Zeit der Saurier vor 150 Millionen Jahren entsprachen Grösse und Körperbau der Libellen bereits in etwa den heutigen Arten. Somit haben sie sich seit dieser Zeit nur noch unwesentlich verändert, was ein Beweis für den ungeheuren Erfolg ihrer Lebensstrategie ist.
Systematik Innerhalb des Systems der Insekten gehören die Libellen (lat.: Odonata) zu den Fluginsekten (Pterygota) und dort zusammen mit den Eintagsfliegen zu den Altflüglern (Palaeoptera). Ihnen werden die übrigen Fluginsekten (also z.B. auch die Bienen) als Neuflügler (Neoptera) gegenübergestellt. Letztere verfügen über ein zusätzliches Gelenk, das es ihnen ermöglicht, die Flügel beim Zusammenlegen gleichzeitig um ihre Längsachse zu drehen, sodass die Flügeloberseite nach aussen bzw. oben zeigt. Libellen können ihre Flügel zwar auch zusammenlegen, aber dabei nicht drehen. Dadurch liegen bei ihnen die Flügeloberseiten aufeinander und die Unterseiten zeigen nach aussen.
In Mitteleuropa gibt es etwa 85 Libellenarten (Stand 2019). Man unterteilt sie in zwei Gruppen, in die Grosslibellen (Anisoptera) und die Kleinlibellen (Zygoptera).
Grosslibellen Mitteleuropas |
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Familien
Edellibellen (Aeshnidae)
Gattungen
Aeshna (Mosaikjungfern)
Anax (Königslibellen)
Brachytron (Schilfjäger)
Boyeria (Geisterlibellen)
Quelljungfern (Cordulegastridae)
Gattungen
Cordulegaster (Quelljungfern)
Flussjungfern (Gomphidae)
Gattungen
Gomphus (Keiljungfern)
Onychogomphus (Zangenlibellen)
Ophiogomphus (Flussjungfern)
Falkenlibellen (Corduliidae)
Gattungen
Cordulia (Falkenlibellen)
Epitheca (Zweiflecke)
Somatochlora (Smaragdlibellen)
Oxygastra (Flussfalken)
Segellibellen (Libellulidae)
Gattungen
Crocothemis (Feuerlibellen)
Leucorrhinia (Moosjungfern)
Libellula (Segellibellen)
Orthetrum (Blaupfeile)
Sympetrum (Heidelibellen)
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Grosslibellen sind von kleineren bis grossen Ausmassen (3 bis 8,5 cm Körperlänge) und haben an der Basis stark verbreiterte Hinterflügel. Die Flügel sind stets ausgebreitet; viele Segellibellen (Libellulidae) drücken sie auch nach vorne unten. Die Augen berühren sich meistens in der Kopfmitte, nur bei den Flussjungfern (Gomphidae) sind sie getrennt. Der Hinterleib der Grosslibellen ist ganz unterschiedlich geformt. Bei den Edellibellen (Aeshnidae) ist er z.B. lang und zylindrisch, bei den Segellibellen dagegen oft kurz und gedrungen.
Männchen des Grossen Blaupfeils (Orthetrum cancellatum)und der Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) mit typischer Flügelhaltung der Segellibellen
Die Kleine Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus) ist ein typischer Vertreter der Flussjungfern.
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Kleinlibellen Mitteleuropas
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Familien
Teichjungfern (Lestidae)
Gattungen
Chalcolestes (Weidenjungfern)
Lestes (Binsenjungfern)
Sympecma (Winterlibellen)
Schlanklibellen (Coenagrionidae)
Gattungen
Cercion (Pokaljungfern)
Ceriagrion (Rubinjungfern)
Coenagrion (Azurjungfern)
Enallagma (Becherjungfern)
Erythromma (Granataugen)
Ischnura (Pechlibellen)
Nehalennia (Zwerglibellen)
Pyrrhosoma (Adonislibellen)
Federlibellen (Platycnemididae)
Gattungen
Platycnemis (Federlibellen)
Prachtlibellen (Calopterygidae)
Gattungen
Calopteryx (Prachtlibellen)
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Kleinlibellen sind Libellen von kleiner bis mittlerer Grösse (2 bis 5 cm Körperlänge) und haben einen quergestellten, hammerförmigen Kopf und einen schlanken Hinterleib. Bei den meisten Familien werden die fast gleich geformten Vorder- und Hinterflügel im Sitzen über dem Rücken zusammengeklappt. Nur die Teichjungfern (mit Ausnahme der Winterlibellen) halten sie halb geöffnet.
Die Gebänderte Prachtlibelle gehört zu den farbenprächtigsten und mit einer Länge von 4,5-5cm auch zu den grössten Kleinlibellen.
Eine Kleinlibelle (Grosse Pechlibelle) sitzt oberhalb einer Grosslibelle (Vierfleck). Auffällig ist - neben dem Grössenunterschied - die völlig unterschiedliche Haltung der Flügel.
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Namensgebung Der Name Libelle (Libellula) wurde vom schwedischen Naturforscher Carl von Linné eingeführt und ist vom lateinischen Wort Libella(Hammerhai) abgeleitet. Manche Libellen haben - ähnlich einem Hammerhai - eine hammerähnliche Körperform.
Kleinlibelle (Hufeisen-Azurjungfer) mit hammerähnlicher Körperform
Die wissenschaftlichen Namen der Libellen (also Gattung und Art) leiten sich in der Regel von griechischen und lateinischen Worten ab, so z.B. 'Somatochlora flavomaculata' aus gr. 'soma' = Körper und 'chloros' = grün, sowie aus lat. 'flavus' = gelb und 'maculata' = gefleckt. Sie nehmen also Bezug auf Merkmale der Libellen, wie etwa Farbe, Zeichnung, Gestalt, oder auch Herkunft. Arten wurden aber auch nach berühmten Insektenforschern benannt.
Männchen der Gefleckten Smaragdlibelle (Somatochlora flavomaculata)
Körperbau Wussten Sie, dass die grössten europäischen Libellen, die Königslibellen, kaum mehr als ein Gramm wiegen? Ein Sperling ist also rund 30 mal so schwer! Libellenmännchen sind annähernd gleich gross, aber immer etwas leichter als die Weibchen. Körperbau der Libellen
Aussehen der Libellen Man möchte meinen, dass die Libellen einer Art (mal abgesehen von den Geschlechtern) mehr oder weniger alle gleich aussehen und nicht von einander unterschieden werden können. Irrtum! Es gibt Arten, bei denen man Individuen an Hand von Flecken auf Kopf, Brust oder Hinterleib gut von einander unterscheiden kann. Vor allem bei den Edellibellen der Gattung Aeshna sieht man mit zunehmendem Alter häufig Flecken auf Kopf, Brust und Hinterleib, die eine sichere Identifizierung dieser Libellen erlauben (gelegentlich auch in Kombination mit anderen Auffälligkeiten, wie Flügelverletzungen). Manche Individuen haben so auffällige Flecken, dass man sie mit einem guten Feldstecher oder einer Fotokamera sogar im Flug wiedererkennen kann.
Fleckenmuster auf der Kopfvorderseite der Blaugrünen Mosaikjungfer (Aeshna cyanea)
Unser Artikel "Libellen als Individuen" in der Fachzeitschrift "Entomo helvetica" hierzu
Witzig! Bei manchen Libellenarten ist der Mund derartig geformt, dass sie von nahem wie lustige kleine Kobolde aussehen, die ständig zu grinsen scheinen.
"Bitte recht freundlich!"
Bedeutung der Libellen Libellen sind ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Ökosystems. In ihrer Funktion als Jäger regulieren sie zum grössten Teil den Insektenbestand und als Beutetiere sind sie eine wichtige Nahrungsgrundlage für Amphibien und viele Vögel. Aus menschlicher Sicht muss man Libellen als äusserst nützlich bezeichnen, da sie riesige Mengen an Mücken und anderen "Schädlingen" vertilgen. Ihr Verschwinden würde ziemlich sicher das ökologische Gleichgewicht nachhaltig stören und für uns sehr negative Folgen haben.
Ein Weibchen der Grossen Pechlibelle (Ischnura elegans) verspeist eine Blattlaus.
Eine Bachstelze (Motacilla alba) mit einer frisch geschlüpften Kleinlibelle als Futter für die Jungen im Nest
Libelle und Mensch Entgegen einer weitverbreiten Meinung stechen Libellen nicht. Der Aberglaube, dass Libellen stechen könnten, soll von Missionaren, die die Germanen zum Christentum bekehrten, verbreitet worden sein.
Die Libellen wurden verteufelt, weil sie der Göttin Freya heilig waren. Dieser Aberglaube hielt sich bis in jüngere Zeit und schlug sich in Ausdrücken wie 'Teufelsnadeln' oder 'Augenstecher' nieder. Libellen können also nicht stechen, sind auch nicht agressiv gegenüber Menschen und somit völlig ungefährlich für uns.
"Keine Angst, sie sind völlig harmlos!"
Grosslibellen können sich allerdings mit Beissen wehren, wenn man sie unsachgemäss anfasst, was bei den grösseren Arten ganz ordentlich zwickt. Die menschliche Haut kann dabei allerdings nicht durchdrungen werden. Gar nichts zu befürchten hat man von Libellen, die den menschlichen Körper als Landeplatz auswählen (Video), oder die man nach einem Absturz mit der Hand aus dem Wasser fischt.
Dieses Männchen der Weidenjungfer nahm den Finger als "rettende Insel" gerne an.
Um eine geschwächte Libelle aufzuheben, sollte man sie also am besten nicht anfassen, sondern einfach behutsam den Finger vorne hinhalten, so dass sie von alleine raufkrabbelt, wie hier dieses unterkühlte Torf-Mosaikjungferweibchen (Video). Die Libelle wird so den Finger einfach als Sitzunterlage annehmen und nicht als Bedrohung empfinden und deshalb auch nicht beissen.
Libellen im Klimawandel In den letzten Jahrzehnten stellte man fest, dass sich - vermutlich als Folge der Klimaerwärmung - Libellenarten aus südlichen Regionen Richtung Norden ausbreiten. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die Feuerlibelle. Daneben wird sich möglicherweise das Verbreitungsgebiet von Arten, die an ein kühleres Klima angepasst sind, in höhere Lagen oder nach Norden verschieben. Gelingt dieses Ausweichen nicht, dürften die betreffenden Arten verschwinden.
Ein Männchen der Feuerlibelle (Crocothemis erythraea)
Schutz der Libellen Fast zwei Drittel der einheimischen Libellenarten sind in der Schweiz gefährdet, einige bereits ausgestorben. Libellen brauchen deshalb unseren Schutz! Das heisst, es dürfen keine Gewässer mehr verbaut oder zugeschüttet werden, ohne dass dafür ein gleichwertiger Ersatz geschaffen wird. Libellenschutz heisst in erster Linie Schutz ihres Lebensraums!
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